Wer bin ich?

April 8th, 2019

(published in: Magazin Eselsohr, Ausgabe April 2019, German)

Würfeln? Um meinen Namen will ich doch nicht würfeln. Proaktiv, so auf neudeutsch, will ich mich entscheiden. Nicht etwa das Schicksal bestimmen lassen. Lange genug war ich der Träumer, der Künstler. Es wird Zeit für einen Wandel. Was kann mir denn Besseres passieren, als eine Hochzeit inklusive Namenswechsel. Noch dazu ein Schritt entgegen traditioneller Geschlechterrollen. Hallo. Ich bin Markus Rockstroh, geb. Köninger.
2018 steht meine erste Buchveröffentlichung an. Eine Graphic Novel zum Roman „Eine Hand voller Sterne“ von Rafik Schami. Ein riesen Ding. Mein Debut obendrein. Ich schaue mich um. Wie machen das andere? Steht auf deren Büchern ihr eigener Name? Felix Scheinberger. Mein ehemaliger Professor. Das ist ein starker Name. Prägnant. Barbara Yelin. Oder Thomas Wellmann. Anna Haifisch. Das eine oder andere Vorbild nutzt mehrere Namen. Der Franzose Jean Giraud zum Beispiel. Für die einen Werke nutzte er seinen natürlichen Namen. Für die Abenteuergeschichte des Leutnant Blueberry eine Kurzform: Gir. Für seine Fantasy- und Science-Fiction-Comics ist er als Moebius bekannt. Wann, wie und wo hatte er sich dazu entschieden den einen oder den anderen Namen zu tragen? War die Kurzform aus Faulheit entstanden? Aus Platzgründen? Hatte er einen Plan? Ich weiß es nicht. Und wer bin ich? Wer bin ich bisher gewesen?
Generation Markus. Ich war zu Schulzeiten bereits bloß einer von vielen. Dann kam ein Spitzname um die Ecke. Sparky nannte mich auf einmal ein Schulkamerad. „Du siehst aus wie Sparky.” Bis heute weiß ich nicht was er damit gemeint hat. Es sprach sich herum. Alle nannten mich plötzlich Sparky. Ich auch. Bis in mein Studium hinein kannten mich selbst meine Professoren nur noch unter meinem Spitznamen. In Prüfungen mussten sie dann nachfragen, wie ich denn nochmal hieße.
Mit dem Masterstudium aber begann eine erneute Selbstfindung. Ich konnte mich dem permanenten Vergleich im Netz nicht entziehen. Es störte mich, dass unter meinem Spitznamen dort nicht ich, sondern Feuerwehrmänner oder Clowns zu finden waren. Ich wurde wieder Markus Köninger. Der Name, der mir zur Geburt gegeben wurde. Sozusagen im blinden Vertrauen auf meine Eltern. Damit also zurück zu meinen Wurzeln. Schließlich konnte sich ein Baum ebenso wenig aussuchen, wohin er als Apfel gefallen war. So steht es letzten Endes heute auf meinem ersten Buch, der Graphic Novel. Ich will seriös auftreten. Ein Pseudonym kommt mir da komisch vor. Schließlich steht mein Name direkt neben dem des bekannten syrischen Autoren. Aber Moment. Ist sein Name nicht ebenso ausgedacht?
Und dann: Meine eigene Hochzeit steht an. Das erste Mal in meinem Leben habe ich die Wahl. Wir überlegen hin und her. So entsteht die Idee meinen Familiennamen als Künstlernamen fortzuführen. Klingt logisch. Denn mein erstes Buch läuft darunter, meine bisherigen Kunden kennen mich so und überhaupt im Internet, wo ich meine Spuren hinterlassen habe, bin ich bereits zu finden.
Aber Richtung Hochzeit verändert sich die Idee. Gerade habe ich doch wieder zu mir selbst gefunden, da bin ich beinahe im Begriff mich erneut zwei zu teilen. Warum? Und wozu? Das ist doch bloß Verwirrung. Ja selbst für mich. Eigentlich habe ich mich ja bereits entschieden. Zu einiger Leute Verwunderung und auch Freude. Mit dem neuen Namen habe ich mir einen Meilenstein gelegt. Ein Reset. Neustart. Ab hier weiter und nicht mehr zurück. Jetzt entscheide ich.
Hallo. Ich bin Markus Rockstroh. Und Sie sind?

(Erschienen in: Magazin Eselsohr, Ausgabe April 2019)